Digitale Barrierefreiheit für alle

DIGITALE BARRIEREFREIHEIT –
WIE UNTERNEHMEN AUS DEM BFSG*-MUSS EIN PLUS MACHEN

Erfahren Sie, wie Sie das *Barrierefreiheitsstärkungsgesetz bis Mitte 2025 umsetzen und die Barrieren in der Kommunikation mit Ihren wichtigen Stakeholdern abbauen.

Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (kurz BFSG) verpflichtet erstmals private Wirtschaftsakteure zu mehr digitaler Barrierefreiheit. Produkte und Dienstleistungen, die digital genutzt werden – zum Beispiel Computer und Smartphones, aber auch Telekommunikations- und Bankendienstleistungen –, müssen ab dem 29.06.2025 barrierefrei(er) sein. Doch nicht nur Hersteller, Importeure und Händler der Produkte oder Anbieter der Dienstleistungen sind betroffen: Alle Unternehmen und sogar Vereine müssen bis zum 28.06.2025 – unter Umständen – Apps, Online-Shops und Dokumente sowie Webseiten barrierefrei gestalten.

WER PROFITIERT VON DIGITALER BARRIEREFREIHEIT?

Motorisch/sensorisch behindert sind wir schon, sobald wir ein Kind auf dem Arm halten. Eine visuelle Beeinträchtigung bemerkt jeder, wenn Sonneneinstrahlung verhindert, dass wir auf dem Display alles gut erkennen können. Eine auditorische Behinderung kann bereits durch den Umgebungslärm eines Großraumbüros, Straßenlärm oder eine Baustelle entstehen. Kognitiv beeinträchtigt sind wir, wenn wir versuchen, Multitasking zu betreiben, oder wenn jemand zum Geburtstag einen Sekt ausgegeben hat. Solche und andere situative Einschränkungen passieren jedem.

Aber es gibt auch temporäre Behinderungen wie z. B. den Arm in Gips oder den Verband um den schmerzenden Finger. Vielleicht ist ein Auge verletzt oder wir haben gerade unsere Brille verlegt. Auch eine Ohrenentzündung, ein Hörsturz, Migräne oder Müdigkeit können uns bei der Bedienung von Apps, Online-Shops, Webseiten, E-Books und digitalen Dokumenten beeinträchtigen.

Die Anzahl derer, die mit situativen und temporären Behinderungen zu kämpfen haben, lässt sich statistisch nicht erfassen. Zugleich liegt die Zahl derer, die permanent betroffen sind, höher, als man vielleicht denkt:

  • Es gibt in Deutschland etwa 10,4 Millionen Menschen mit einer dauerhaften Behinderung. 7,8 Millionen Menschen mit einer schweren und 2,6 Millionen mit einer leichten Behinderung. Das sind ca. 12,5 Prozent der Bevölkerung.
  • Und in einer stetig alternden Bevölkerung nimmt der Anteil der Menschen mit Beeinträchtigungen zu.18,2 Millionen Menschen – fast 22 Prozent – sind über 65 Jahre alt.
  • Darüber hinaus sind rund 15 Prozent der Menschen, die in Deutschland leben, keine Muttersprachler. (4,1 Millionen Menschen in Deutschland sprechen zuhause gar kein Deutsch. Für weitere 8,2 Millionen ist Deutsch im Haushalt nicht die überwiegend gesprochene Sprache.)
  • Hinzu kommen in Deutschland noch 6,2 Millionen Menschen, die nicht oder nur unzureichend lesen und schreiben können. Das sind 7,5 Prozent der Bevölkerung.

Zusammengefasst sind 47,1 Millionen Menschen betroffen. Sicher gibt es Schnittmengen der Betroffenen-Gruppen und damit in dieser Zahl eine gewisse Mehrfach-Erfassung. Dennoch lässt sich unterm Strich wohl sagen, dass jeder Zweite in Deutschland von digitaler Barrierefreiheit profitieren würde.

JEDER ZWEITE PROFITIERT VON DIGITALER BARRIEREFREIHEIT

Jeder Zweite in Deutschland würde von mehr digitaler Barrierefreiheit profitieren. Nicht die Frage ist entscheidend, ob Sie als Organisation rein rechtlich unter das BFSG fallen. Sondern ob Sie die wichtige Zielgruppe der Menschen mit einer dauerhaften, temporären oder auch nur situationsbedingten Beeinträchtigung ausschließen wollen – als mögliche Kunden, Mitarbeiter, Partner oder Investoren. Denn Sie können mit Ihren bestehenden Mitteln – unterstützt durch Künstliche Intelligenz – Menschen mit Behinderungen nicht nur ein selbstbestimmteres Leben ermöglichen, sie können gleichzeitig Ihre Wettbewerbsfähigkeit stärken.

Selbst wenn mehr Menschen über 55 Jahren von Behinderungen betroffen sind, legen auch sehr viele junge Menschen – sogar in Social Media – Wert auf digitale Barrierefreiheit. Denn wenn man jemanden mit einer Beeinträchtigung kennt, ist man für die Themen Barrierefreiheit, Fairness und Selbstbestimmtheit automatisch sensibilisiert.

„Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden“ – das ist bereits im Grundgesetz (Artikel 3, Absatz 3) fest verankert. Zum anderen enthält das Ziel Nr. 10 „Weniger Ungleichheiten“ der 17 SDGs (Sustainable Development Goals) die Forderung: Alle Menschen sollen – unabhängig von Alter, Geschlecht, sexueller Orientierung, Behinderung, Ethnizität, Religion, Herkunft oder sozialem und wirtschaftlichem Status – gleiche Möglichkeiten haben.

Ggf. kann nicht jedes Unternehmen gleich alle der 17 ambitionierten Ziele der Agenda 2030 umsetzen, die sich die Weltgemeinschaft für eine nachhaltige Entwicklung gesteckt hat. Aber Menschen mit Beeinträchtigungen zu helfen, Inhalten und Botschaften, Anleitungen und Anweisungen besser folgen zu können, liegt im ureigensten Interesse jeder Unternehmung.

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Checkliste Digitale Barrierefreiheit
CHECKLISTE DIGITALE BARRIEREFREIHEIT

Finden Sie anhand der Checkpoints heraus, ob Sie vom Barrierefreiheitsschutzgeseltz betroffen sind.

Die folgende Checkliste und Informationen (Stand August 2023) stellen eine Orientierungshilfe dar – sie sind keine Rechtsberatung. Außerdem können die Forderungen des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes noch angepasst oder erweitert werden.

Wenden sich Ihre Produkte und Dienstleistungen, Online-Shops, Webseiten, Apps, E-Books und Dokumente weder direkt noch indirekt an Verbraucher? Dann können Sie sich jetzt entspannen. Denn das Gesetz wurde zur Stärkung von Verbrauchern und Nutzer/innen erlassen.

TIPP

Lesen Sie bitte trotzdem weiter, um ein Verständnis für das Thema digitale Barrierefreiheit zu entwickeln. Nur weil Sie nicht dazu gezwungen sind, bedeutet es nicht, dass Sie im Business-to-Business-Bereich und speziell bei (potenziellen) Mitarbeitern durch Ihre digitale Barrierefreiheit nicht auch Wettbewerbsvorteile erzielen können. Menschen mit Beeinträchtigungen benötigen auch bei ihrer Berufsausübung mehr digitale Barrierefreiheit!

Ihre Kunden oder Mitglieder sind direkt/indirekt Verbraucher. Wenn Sie nur eine der folgenden Fragen mit ‚Ja‘ beantworten, dann gehört Ihre Organisation – bis auf Ausnahmen, siehe unten – zu den Wirtschaftsakteuren, die bis Mitte 2025 Produkte, Dienstleistungen, Apps, Online-Shops, Webseiten, E-Books und digitale Dokumente für Nutzer barrierefrei(er) gestalten müssen.

Sind Sie Hersteller, Importeur oder Händler der folgenden Produkte?

  • Fernsehgeräte mit Internetzugang, Computer, Notebooks, Tablets, Smartphones, Mobiltelefone, E-Book-Reader oder Router
  • Geld-, Fahrausweis- oder Check-In-Automaten
  • Betriebssystem- oder Anwendungs-Software, E-Books oder Apps für die oben genannte Hardware sowie Bedienoberflächen für Automaten

Sie sind Hersteller eines der oben genannten Produkte.

  • Vermutlich haben Sie bereits eine BFSG-Task-Force eingerichtet, die sich intensiv mit den spezifischen Forderungen auseinandersetzt. Falls nicht, wäre jetzt der richtige Zeitpunkt dafür.
  • Denn Sie dürfen sonst Produkte, die nach dem Stichtag produziert wurden, in Europa nicht mehr anbieten. Es gelten allerdings unterschiedliche Übergangsfristen für die einzelnen Produkt-Kategorien.

Sie sind Importeur oder Händler der aufgeführten Produkte.

  • Dann müssen Sie zukünftig dafür Sorge tragen, dass alle Produkte, die nach dem Stichtag produziert wurden und von Ihnen importiert oder verkauft werden, den BFSG-Anforderungen entsprechen.
  • Marktüberwachungsbehörden können hier – auch initiiert durch Verbraucher, Marktbegleiter und Verbände – dafür sorgen, dass Sie die Produkte in Europa nicht mehr einführen oder verkaufen dürfen.
  • Für Sie wird die Auswahl Ihrer Lieferanten entscheidend werden.
  • Überprüfen Sie rechtzeitig Ihre Verträge, und lassen Sie sich von den Herstellern über den Stand der Barrierefreiheit informieren.

 Sind Sie Anbieter der folgenden Dienstleistungen?

  • Telefon- oder Messenger-Dienstleistungen (Telemedien)
  • Bankdienstleistungen
  • Leistungen im elektronischen Geschäftsverkehr (E-Commerce)
  • Bereitstellung von E-Books

Sie sind Anbieter einer der oben genannten Dienstleistungen.

  • Dann sollten Sie bereits eine Task-Force eingesetzt haben, die sich Ihre spezifischen Anforderungen genau ansieht. Es sei denn:
    • Sie gehören zu den sogenannten „Kleinstunternehmen“ mit weniger als zehn Beschäftigten oder höchstens 2 Millionen Euro Jahresumsatz.
    • Oder es ergeben sich durch die Barrierefreiheit grundlegende Veränderungen der Wesensmerkmale Ihrer Dienstleistung. *
    • Oder die Herstellung von Barrierefreiheit stellt für Sie eine unverhältnismäßige (nachweißbar bedrohliche) Belastung dar. *

* Das müssen Sie proaktiv bei Ihrer Marktüberwachungsbehörde anzeigen.

Viele Organisationen nutzen bei der digitalen Kommunikation mit Verbrauchern Dienstleistungen der Telemedien, Bankdienstleistungen oder Leistungen des elektronischen Geschäftsverkehrs (E-Commerce). Damit werden Sie – dem BFSG nach – zu Leistungserbringern gegenüber Verbrauchern.

Ihre Kunden oder Mitglieder sind direkt/indirekt Verbraucher. Wenn Sie nur eine der folgenden Fragen mit ‚Ja‘ beantworten, dann gehört auch Ihre Organisation zu den Leistungserbringern.

Bieten Sie folgende digitale Kommunikations-Leistungen an?

  • Apps: Sie bieten die Nutzung von Apps an
  • Online-Shops: Sie verkaufen über Ihre Website oder Ihren separaten Online-Shop Produkte oder Dienstleistungen*
  • Website**: Nutzer können auf Ihrer Website
    • sich in einen Kundenbereich einloggen
    • über ein Help-Desk-System ein Support-Ticket eröffnen
    • online Termine vereinbaren
    • ein Kontaktformular ausfüllen
    • einen Chatbot oder einen Rückruf-Service nutzen
    • über einen Spendenbutton spenden

* Ist der Online-Shop in Ihre Website integriert, müssen sowohl der Shop als auch die gesamte Website barrierefrei gestaltet sein. Durch den bloßen Link zu einem Online-Shop, der nicht direkt auf Ihrer Website ist, oder durch einen Link zu einem Affiliate-Partner werden Sie nicht zu einem Leistungserbringer.

** Wenn die Services auf Ihrer Website mit einer Dienstleistung im elektronischen Geschäftsverkehr in Verbindung stehen, handelt es sich um Dienstleistungen der Telemedien, die über Webseiten und auf Mobilgeräten angebotene Dienstleistungen elektronisch und auf individuelle Anfrage eines Verbrauchers im Hinblick auf den Abschluss eines Verbrauchervertrags erbracht werden. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn neben kostenfreien Content auch kostenpflichtiger Content angeboten wird. Das ist auch der Fall, wenn Sie Fragen zu Verkaufs- oder Supportzwecken über Chatbots oder über Rückruf-Services beantworten. Und bei der Nutzung eines Spendenbuttons kommt meist eine Bankdienstleistung hinzu. Das bedeutet, dass nach den Vorschriften des BFSG die gesamte Webseite barrierefrei zu gestalten ist.

Sie gehören zu den Leistungserbringern.

  • Wenn Sie kein Kleinstunternehmen sind, die Barrierefreiheit keine grundlegende Veränderung der Wesensmerkmale Ihrer Leistung ergibt oder es für Ihre Organisation keine unverhältnismäßige Belastung darstellt – dann sind Sie ebenfalls ab dem 28.06.2025 verpflichtet, Ihre Apps, Ihre Online-Shops und die damit verbundenen digitalen Dokumente oder Webseiten barrierefrei zu gestalten.
  • Leiten Sie diese Information zeitnah an die Verantwortlichen in Ihrer Organisation weiter und bilden Sie eine übergeordnete Task Force.
  • Nutzen Sie Anbieter, deren Dienstleistungen barrierefrei sind – bzw. die Ihnen jetzt schon zusichern können, dass deren Dienstleistungen bis zum Stichtag barrierefrei sein werden.
  • Planen Sie die Umsetzung rechtzeitig mit internen und externen Dienstleistern, um die geforderten Änderungen möglichst noch weit vor dem Stichtag zu realisieren. Anfang 2025 werden alle entsprechenden Dienstleister ausgebucht sein.
  • Darüber hinaus werden es Ihnen Ihre Nutzer danken. Und Sie können eine zusätzliche Zielgruppe noch früher bedienen.

Handels-, Marketing-, IT- und Branchen-Medien haben die Checkliste von Gabriele Horcher veröffentlicht und auf dieses wichtige Thema aufmerksam gemacht.

MEHR INFORMATIONEN ZUM BUCH „BARRIEREFREI KOMMUNIZIEREN FÜR UNTERNEHMEN“

ANFORDERUNGEN AN DIE DIGITALE BARRIEREFREIHEIT

Die generelle Forderung des BFSG ist, dass Produkte, Dienstleistungen und Informationen über mehr als einen sensorischen Kanal (z. B. schriftlich und über Sprachausgabe oder schriftlich und über Braille-Zeile), in verständlicher Weise dargestellt werden. Für Menschen mit Behinderungen sollen digitale Inhalte durch die digitale Teilhabe in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar sein.

 

Anforderungen an die digitale Barrierefreiheit

Alle Produkte, die nach dem 28.06.2025 hergestellt werden und mit denen man üblicherweise ins Internet geht (die betrifft nicht den internetfähigen Kühlschrank), müssen die Barrierefreiheitsanforderungen erfüllen. Produkthersteller müssen Verbraucher/innen sowohl das Produkt als auch Informationen zum Produkt in mehr als einem sensorischen Kanal zur Verfügung stellen. Diese Anforderung könnte erfüllt sein, wenn dem Produkt die Informationen zur Nutzung in normaler und in Brailleschrift beigefügt werden. Oder wenn auf der Webseite eine Vorlesefunktion dafür sorgt, dass Menschen mit Sehbehinderungen die Informationen der Anleitung oder die Warnhinweise wahrnehmen können.

*Spiegelbildlich zum Hersteller besteht die Hauptpflicht von Importeur oder Händler darin, nur solche Produkte in den Verkehr zu bringen, die die Barrierefreiheitsanforderungen des BFSG erfüllen.

Die gesamte Kommunikation, Bedienung, Steuerung und Orientierung des Produkts müssen über mehr als einen sensorischen Kanal möglich sein. Also beispielsweise durch das Vorlesen, zusätzlich zur Schrift. Darüber hinaus müssen:

  • visuelle Elemente in Größe, Helligkeit und Kontrast eingestellt werden können
  • alternative Farben zur Verfügung stehen
  • bei Akustik die Lautstärke anpassbar sein
  • eine manuelle Steuerung auch mit wenig ausgeprägten feinmotorischen Fähigkeiten möglich sein.

Alle Dienstleistungen, die dem BFSG unterliegen und die nach dem 28.06.2025 erbracht werden, müssen die Barrierefreiheitsanforderungen erfüllen. Bei Dienstleistungen, also z. B. das Einkaufen in einem Online-Shop, gelten vor allem erhöhte Informationspflichten. Informationen müssen beispielsweise in mehr als einem sensorischen Kanal zur Verfügung stehen, also neben der Schrift zum Beispiel durch eine Vorlesefunktion. Die Informationen müssen darüber hinaus:

  • auffindbar sein
  • in Textform gut lesbar sein, was Schriftgröße und Kontrast angeht
  • wahrnehmbar, bedienbar, verständlich und robust sein.

E-Books gelten auch als Dienstleistung. Das heißt, auch wenn der Inhalt des Buchs schon vor Jahren veröffentlicht wurde, muss das E-Book, wenn es noch nach dem 28.06.2025 verkauft werden soll, barrierefrei sein.

Erbringer von Dienstleistungen – also Unternehmen, die E-Commerce-, Banking-, Telekommunikations- oder Messaging-Dienstleistungen für Ihre Kund/Innen nutzen – dürfen diese nach dem 28.06.2025 nur noch anbieten, wenn diese Dienstleistungen die Barrierefreiheitsanforderungen erfüllen.

Die App, der Online-Shop, das E-Book und ggf. auch die gesamte Website und sowie erklärende Informationen müssen über mehr als einen sensorischen Kanal zur Verfügung stehen.

Als Unternehmen ist es für Sie vorteilhaft, wenn Sie nur mit Anbietern zusammenarbeiten, die die Barrierefreiheitsforderungen einhalten. Dies entbindet Sie allerdings nicht von Ihrer Pflicht, auch das notwendige Umfeld barrierefrei zu gestalten.

Die Marktüberwachungsbehörden der Länder wachen darüber, dass alle europäischen Wirtschaftsakteure, die unter die Bestimmungen des BFSG fallen, die Barrierefreiheitsanforderungen einhalten. Darüber hinaus überwachen sie, dass keine Produkte und Dienstleistungen in Europa zum Einsatz kommen, die den Anforderungen nicht entsprechen. Das ist eine wahre Mammutaufgabe, bei der man sich als Wirtschafsakteur zu Recht fragen kann, ob man jemals sanktioniert wird. Da allerdings auch Verbraucher/innen – vielleicht sogar angeregt durch einen Marktbegleiter – und Verbände die Marktüberwachungsbehörde auffordern können, Maßnahmen gegen jeden Wirtschaftsakteur zu ergreifen, der die Barrierefreiheitsanforderungen nicht einhält, kann sich auf lange Sicht niemand verstecken.

Kommt ein Wirtschaftsakteur den Barrierefreiheitsanforderungen nicht nach, hat die Marktüberwachungsbehörde verschiedene Druckmittel zur Auswahl. Sie kann die Bereitstellung des Produkts/der Dienstleistung auf dem deutschen Markt entweder einschränken, untersagen und sogar dafür sorgen, dass das Produkt zurückgenommen oder zurückgerufen wird. Darüber hinaus können dem Wirtschaftsakteur Bußgelder von bis zu 100.000 Euro auferlegt werden.

Prinzipiell berät die Bundesfachstelle für Barrierefreiheit (https://www.bundesfachstelle-barrierefreiheit.de/DE/Home/home_node.html) Kleinstunternehmen kostenfrei, um diesen die Anwendung des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes zu erleichtern. Allerdings wird die Bundesfachstelle personell erst ab 2025 vom Gesetzgeber dafür ausgestattet, Anfragen zeitnah zu bearbeiten. Zurzeit muss man mit circa vier Wochen Reaktionszeit rechnen.

LINKS DIGITALE BARRIEREFREIHEIT

Das Gesetz können Sie unter https://www.bmas.de/DE/Service/Gesetze-und-Gesetzesvorhaben/barrierefreiheitsstaerkungsgesetz.html einsehen.

Die etwas leichter verständlichen Leitlinien zum Gesetz finden Sie hier: https://www.bundesfachstelle-barrierefreiheit.de/SharedDocs/Kurzmeldungen/DE/leitlinien-und-rechtsverordnung-zum-bfsg.html.

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Digitale Barrierefreiheit für Sehbeeinträchtigte

DIGITALE BARRIEREFREIHEIT FÜR SEHBEEINTRÄCHTIGTE

Schrift in Sprache umzuwandeln, ist nicht nur für Menschen mit visuellen Beeinträchtigungen wie Blindheit, Kurzsichtigkeit, Rot/Grün-Schwäche essenziell. Auch für Menschen mit temporären Augenverletzungen und -erkrankungen – und sogar wenn man nur die Brille verlegt hat – ist es eine große Unterstützung, neben Texten und Bildern eine zusätzliche Tonspur zu haben.

TEXT IN SPRACHE UMWANDELN

  • In Deutschland kommen sogar noch 6,2 Millionen Menschen dazu, die nicht oder nur unzureichend lesen und schreiben können.
  • Darüber hinaus sind auch Personen, die unterwegs sind – etwa zu Fuß oder im Auto – dank Text-zu-Sprache noch in der Lage, sich weiter mit Ihren Botschaften und Inhalten zu beschäftigen.

Unter Text-to-Speech (TTS, deutsch: Text-zu-Sprache) versteht man die Sprachsynthese: die künstliche Erzeugung einer menschlich klingenden Sprechstimme. Ein Text-to-Speech-System wandelt Fließtext in eine akustische Sprachausgabe.

Um einen Beitrag auch als Audio-Datei zur Verfügung zu stellen, kann man diese – quick & dirty – durch ein Text-to-Speech-System wie z. B. Amazon Polly erstellen. Es stehen für die deutsche Sprache inzwischen mehrere unterschiedliche männliche und weibliche Stimmen zur Verfügung. Häufig sind sogar Dialekte für Österreich und die Schweiz auswählbar.

Wird ein bestehender Fließtext 1:1 in Sprache übertragen, ist das Resultat prinzipiell verständlich. Er enthält aber häufig irritierende Elemente, wenn er einfach unbearbeitet als Audioformat ausgegeben wird. Wer in der Kommunikation Wert auf Qualität legt, für den ist es sinnvoll, den Text für ein besseres Text-to-Speech-Ergebnis zu bearbeiten. Die Systeme werden zwar täglich besser, aber speziell bei Eigennamen, Abkürzungen, Zahlen, E-Mail-Adressen oder auch Anglizismen muss man nacharbeiten. Bei Abkürzungen hilft es, die Buchstaben mit einem Leerzeichen voneinander getrennt darzustellen. Bei Eigenamen muss man zur Not auf eine phonetische Schreibweise zurückgreifen; Zahlen und die Sonderzeichen wie Punkt, Bindestrich bei E-Mail-Adressen sollte man besser gleich ausschreiben. Auch das Einfügen von Satzzeichen – auch wenn diese grammatikalisch nicht korrekt sind – kann helfen, um auf das Satztempo Einfluss zu nehmen. Wer es besonders gut machen will, verzichtet darüber hinaus auf Formulierungen, die auf visuelle Wahrnehmung anspielen wie z. B.: Wie sie sehen … oder … hier lesen Sie ….

Mit der neuesten Generation von Text-to-Speech-Tools lassen sich die sogenannten Voiceover auch gezielt mit Emotionen erstellen. Mit dem Tool Revoicer kann man die Stimme z. B. wütend, fröhlich, traurig, aufgeregt, erschrocken, friedlich, unsympathisch oder hoffnungsvoll klingen lassen. Und die Stimme kann auch schreien oder flüstern.

Mit KI-Tools wie Murf.ai oder Speechify können darüber hinaus eigene Stimmen synthetisiert und auch Stimmen von Prominenten genutzt werden, per Voice Cloning.

Bei einem Screenreader, auch Vorlese-Anwendung genannt, wird vorab keine Audio-Datei erstellt, sondern der Text auf der Website direkt vorgelesen. Eine Screenreader-Software bietet eine alternative Benutzerschnittstelle anstelle des Textmodus oder anstelle einer grafischen Benutzeroberfläche. Die Bedienelemente und Texte werden dabei mittels Sprachsynthese akustisch oder taktil über eine Braillezeile wiedergegeben.

Der Screenreader liest dazu den Quellecode einer Website aus. Im Quellcode müssen deshalb Design-Attribute deutlich von den Inhalten einer Webseite getrennt sein, damit der Screenreader gut funktioniert. Eine qualitative Anpassung des Texts für Hörende verändert somit auch den Text für Lesende. Sobald Text in Form einer Grafik auf der Website erscheint, wird er nur vorgelesen, wenn zur Grafik einen Alternativ-Text eingegeben wurde.

SUMMARY: TEXT IN SPRACHE UMWANDELN

Die visuelle Beeinträchtigung behindert Nutzer von Apps, E-Books, Online-Shops und Webseiten oder Social Media stark – stärker als eine auditorische Einschränkung. Es sind sowohl die Content-Formate Text, Bild, Video und Event als auch die Bedienung davon betroffen. Darüber hinaus lassen sich Inhalte und Bedienelemente nur in einem strukturierten Layout gut durch Audio-Dateien, Vorlesefunktionen oder Braille-Zeile vermitteln. Bild-Elemente werden nur über zusätzliche Alternativtexte vorlesbar. Emotionen in der Stimme lassen sich in einer Vorlesefunktion noch nicht automatisiert produzieren, allerdings ist es bereits möglich, Audio-Dateien mit Stimm-Emotionen zu versehen.

DIGITALE BARRIEREFREIHEIT FÜR HÖRBEEINTRÄCHTIGTE

Nicht nur für Gehörlose, Schwerhörige oder Menschen, die bestimmte Frequenzen nicht wahrnehmen können, ist es wichtig, dass Sprache zusätzlich in Text ausgegeben wird. Ist jemand z. B. in der Bahn unterwegs, hat kein Headset dabei oder die Ear-Pods sind nicht aufgeladen, lässt sich der Inhalt eines Videos nicht verlässlich und der Inhalt eines Meetings oder eines Podcasts überhaupt nicht erkennen.

 

Digitale Barrierefreiheit für Hörbeeinträchtigte

SPRACHE WIRD IN TEXT UMGEWANDELT

  • Es gibt darüber hinaus unterschiedliche Lerntypen, die Inhalte in unterschiedlichen Formaten besser verstehen können. Besonders visuell orientierte Menschen lieben es z. B., Inhalte auch in geschriebener Form zu erhalten.
  • Für Nicht-Muttersprachler ist es eine große Unterstützung, nicht nur das Gesagte zu hören, sondern zusätzlich zu lesen. Dadurch erhöht sich nicht nur die Verständlichkeit enorm, es lässt sich sogar noch einen Lerneffekt erzielen.

Um Sprache in Text umzuwandeln, kommt Speech-to-Text (STT) zum Einsatz. STT ist eine Technologie, die Sprache automatisiert erkennt und in Schrift umwandelt. Diese Schrift wird dann synchron zum Gesprochenen in Gestalt von Untertiteln ausgegeben oder auch unabhängig vom aktuell Gesprochenen in Form eines Transkripts.

Für Videos, die auf den gängigsten Plattformen YouTube oder Vimeo gehostet werden, lassen sich z. B. bereits direkt beim Einstellen Untertitel in deutscher Sprache generieren. Die Hosting-Plattformen erstellen dazu automatisch ein Transkript der Tonspur und geben dies in Schriftform aus. Diese automatisierten Transkripte sind heute schon sehr gut und reichen für das Verständnis des Inhalts vollkommen aus.

Unbearbeitete, automatisch erstellte Transkripte zeigen aber auch jeden Versprecher auf. Darüber hinaus enthalten so erstellte Untertitel wenig bis keine Zeichensetzung. Dass Sätze in der deutschen Sprache groß begonnen werden, wird größtenteils ignoriert. Wer Wert darauf legt, dass nicht nur der Inhalt verständlich, sondern auch alles korrekt geschrieben ist oder sogar CI-Richtlinien eingehalten werden, kann die Untertitel nachträglich bearbeiten. Empfehlenswert ist die Nachbearbeitung auf jeden Fall, wenn zum Beispiel E-Mail-Adressen erwähnt werden. Denn diese werden als Untertitel selten korrekt angezeigt.

Falls Nutzer aus ästhetischen Gründen keine Untertitel im Video sehen möchten, dürfen sie diese Untertitel gerne mit einem Klick ausstellen.

Auch für Querformat-Videos für Social-Media-Networks wie z. B. LinkedIn oder Facebook kann man die srt-Untertitel-Datei von YouTube leicht exportieren und verwenden. Bei Hochformat-Videos für Plattformen hat etwa Instagram ganz aktuell die automatische Untertitel-Funktion für Videos im Feed eingeführt. Bei TikTok ist das etwas komplizierter, aber dennoch möglich. Dies funktioniert zum einen über den Umweg eines Facebook-Reels oder einer zusätzlichen App wie z. B. CapCut.

Podcasts gehören ebenfalls zu den wichtigen sprechenden und trendigen Kommunikations-Kanälen. Podcasts sind eine großartige Möglichkeit, Ideen und Geschichten mit einem breiten Publikum zu teilen. Allerdings gibt es zurzeit bei den beliebtesten Podcast-Hosting-Plattformen wie Spotify und Google Podcast für die Inhalte noch keine Untertitel oder eine automatische Transkription. Transkripte, die separat und nicht synchron zur Sprache ausgegeben werden, lassen sich einfach z. B. über die Transkript-Funktion von Microsoft 365 erstellen.

Zur besseren Verständlichkeit von Audio-Inhalten wird häufig auch Closed Capitioning eingesetzt. Das ist eine vollständige Transkription der Audiospur, die nicht nur die Dialoge wiedergibt, sondern auch den Einsatz von Soundeffekten oder Musik als Text beschreibt. Solch ein Closed Captioning lässt sich zum Beispiel über dedizierte Tools wie Amberscript oder Capterra erstellen.

Transkripte ermöglichen es, die meist unterhaltsamen Botschaften von Podcasts zugänglich zu machen. Darüber hinaus verbessern sie die Auffindbarkeit der Inhalte in Suchmaschinen (SEO).

Für Meeting-Plattformen wie Google Meet, Zoom und – seit Februar 2023 – auch Microsoft Teams gibt es die Möglichkeit, deutsche Live-Untertitel einzuschalten. Bei Microsoft kann jeder Meeting-Teilnehmer sich die Untertitel selbst auswählen. Bei Google und Zoom muss die Untertitelung vom Meeting-Host zunächst aktiviert werden.

Nach einem Meeting lassen sich die Untertitel darüber hinaus als Transkript herunterladen.

Seit 2021 bietet der Chrome Webbrowser von Google die Erweiterung (Extension) „Live Captions“ – leider bisher nur für die englische Sprache. Live Captions stellt automatisch Untertitel für Audiospuren bereit, z. B. für Streamings. Die Erweiterung funktioniert sogar, wenn der Ton ausgestellt ist. Die Extension ist zwar auch für die deutsche Sprache geplant, aber leider noch nicht umgesetzt.

Auf öffentlichen Webseiten werden Videos darüber hinaus in Gebärdensprache übersetzt. Mithilfe eines Gebärdensprach-Avatars (AVASAG) sollen künftig Texte von Internetseiten automatisch in die Deutsche Gebärdensprache übersetzt werden. Mit dem Zwischenschritt, Sprache zunächst zu Text umzuwandeln, lässt sich der Gebärdensprach-Avatar auch hier sinnvoll einsetzen.

SUMMARY: SPRACHE IN TEXT UMWANDELN

Eine auditorische Beeinträchtigung macht sich besonders negativ bei den unterhaltsamen Formaten wie Audio, Video und Event bemerkbar. Die Bedienung der Anwendung und die puren Inhalte von Apps, Webseiten und Social Media lassen sich gut durch Text darstellen. Und audio-basierte Formate können relativ gut durch Live- oder Closed-Captioning, Transkripte und Gebärdensprache vermittelt werden. Emotionen lassen sich durch Bilder und Text erzeugen und unterstützen.

Digitale Barrierefreiheit für motorisch Beeinträchtigte

DIGITALE BARRIEREFREIHEIT FÜR MOTORISCH EINGESCHRÄNKTE

Eine App, einen Online-Shop oder einer Website zu bedienen, ist für Menschen mit motorischen/sensorischen Einschränkungen, z. B. durch Amputationen, verkürzte Gliedmaßen oder Lähmungen, eine große Herausforderung. Auch für Menschen mit Verletzungen an Händen oder Armen – oder sei es nur eine vorrübergehende Zerrung im Rücken – stellt es eine großartige Unterstützung dar, neben der Maus eine alternative Bedienoption für die Navigation und Eingabe zu haben.

 

ALTERNATIVE BEDIENUNG

  • Motorisch eingeschränkt sind auch alle, die wegen einer Krankheit im Bett liegen. Krankenversicherungen meldeten für 2022 Rekordwerte: An jedem Tag des Jahres waren 55 von 1000 Beschäftigten krankgeschrieben. Das war der höchste Wert seit 25 Jahren und sogar noch ein Zuwachs von 1,5 Prozentpunkten im Vergleich zum Vorjahreszeitraum 2021.
  • Darüber hinaus profitieren auch visuell eingeschränkte Personen von einer Sprachsteuerung – gepaart mit einer Vorlesefunktion.

Sprachsteuerung meint die Steuerung mittels Spracheingabe. Die Spracheingabe ist hauptsächlich aus dem privaten Umfeld bekannt, zum Beispiel durch Amazon Alexa. Alexa, Siri &Co. sind virtuelle Sprachassistenten, die über Geräte wie zum Beispiel ein Echo, das Smartphone oder sogar das Auto funktionieren.

Bei der Augensteuerung sprechen wir davon, dass ein Mauszeiger durch die Augenbewegung gesteuert wird.

Genauso wie man sich im Smart-Home durch die Sprachassistenten den Gang zum Lichtschalter, zur Stereo-Anlage oder dem Fernseher spart, ist es möglich, auf einer Website mit der eigenen Stimme zu navigieren, nach Begriffen zu suchen oder sich Texte vorlesen zu lassen.

So ist z. B. der ARAG Sprachassistent zurzeit ein Versuchsballon des deutschen Versicherers. Über die Web Speech API wird der getätigte (vordefinierte) Sprachbefehl in Text umgewandelt. Die Website muss dafür mit einem Browser verwendet werden, der in der Lage ist, den Zugriff auf das (eingeschaltete) Mikrofon am Endgerät freizuschalten, wie etwa Google Chrome dies kann.

Sprachbefehl Aktion
„Suche Begriff” z. B. „Suche Begriff Rechtschutzversicherung”
„Lese vor“ z. B. „Lese 1 vor”: liest Überschrift Nr. 1 vor
„Weiter“ Liest nächstes Element vor, wenn vorher etwas vorgelesen wurde
„Homepage“ zur Startseite ARAG.de navigieren
„zurück“ eine Seite vor, wenn vorher zurück
„vor“ z. B. “gehe zu Service” – der Link muss sichtbar sein
„gehe zu“ Name des Links: z. B. “gehe zum Rechtsschutz”
„gehe zum“ Name des Links: z. B. ” gehe zur Tierhalterhaftpflichtversicherung”
„gehe zur“ scrollt nach unten
„rauf“ oder „hoch“ scrollt nach oben
„nach oben“ scrollt nach ganz oben
„nach unten“ scrollt nach ganz unten

Für Benutzer mit Mobilitätsbehinderungen kann die Steuerung eines Bildschirm-Mauszeigers mit Sprachbefehlen einfacher sein, als eine physische Maus zu verwenden. In Microsoft-Anwendungen kann man deshalb mithilfe der Stimmeingabe (Cortana) z. B. die Applikationen öffnen, zwischen ihnen wechseln oder im Web surfen.

Dafür ist es möglich, z. B. den Mauszeiger (den Cursor) gezielt zu bewegen oder Mausklicks auszuführen.

Sprachbefehl Aktion
„Maus <Richtung> bewegen“ Bewegt den Mauszeiger nach oben, unten, links, rechts, oben links, oben rechts, unten links oder unten rechts.
„Stop“ oder „Stop Moving“ Beendet die Bewegung des Mauszeigers.
„Schnell” oder “Schneller“ Erhöht die Geschwindigkeit des Mauszeigers.
„Langsam“ oder „Langsamer“ Verringert die Geschwindigkeit des Mauszeigers.
„Maus <Richtung> ziehen“ Zieht die Maus nach oben, unten, links, rechts, oben links, oben rechts, unten links oder unten rechts.
„Click“ oder „Tap“ Klickt ein Element an.
„Linksklick“ Klickt mit der linken Maustaste auf ein Element.
„Rechtsklick“ Klickt das Element mit der rechten Maustaste an.
„Doppelklicken“ Wort/Element wird markiert.
„Dreifachklick“ Ganzer Absatz wird markiert.

Bei Microsoft 11 kann der Mauszeiger auch mit der Augensteuerung bewegt und z. B. auf ein editierbares Textfeld verschoben werden. Danach lässt sich ebenfalls durch die Augensteuerung eine Tastaturschaltfläche öffnen, um anschließend über Augensteuerung oder optional über Spracheingabe Text einzugeben.

Die Tastaturbedienbarkeit ist eine wichtige Säule der Barrierefreiheit. Auch wenn das deutlich länger dauert als mit einer virtuellen Maus oder einem Sprachassistenten.

Die Basis der Tastaturbedienung ist die Tabulator-Taste. Mit der Tab-Taste kann ein Nutzer von Element zu Element springen. Bei nicht optimierten Webseiten wird nur am linken unteren Rand des Bildschirms – ganz klein – angezeigt, wie das aktuell angesteuerte Element heißt. Dieses Feld lässt sich auf dem Bildschirm auch nicht vergrößern. Auf den besser optimierten Webseiten wird das Feld zusätzlich markiert: z. B. sichtbar umrandet oder unterstrichen und/oder mit einer Kontrast-Farbe unterlegt. Für Menschen mit einer Sehbehinderung werden die Felder durch einen Screenreader vorgelesen.

Mit der Return- oder Leertaste können Links, Buttons und alles andere Klickbare jetzt aktiviert werden. Innerhalb von Formularen oder eines CAPTCHA* lässt sich auch mit den Pfeiltasten navigieren. Mit den Pfeiltasten kann man außerdem auf der Website auf- und abwärts scrollen.

*CAPTCHA = Completely Automated Public Turing test to tell Computers and Humans Apart

 

SUMMARY: ALTERNATIVE BEDIENUNG

Bei motorisch bedingten Beeinträchtigungen sind uneingeschränkt alle Content-Formate zur Vermittlung von Inhalten in Apps, Webseiten oder Dokumenten einsetzbar. Voraussetzung ist nur, dass es neben der Bedienung mit der Maus noch Alternativen für die Navigation oder Bedienung gibt: entweder in Form einer optimierten Tastenbedienbarkeit, einer sprach- oder augengesteuerten Maus oder durch einen Sprachassistenten.

DIGITALE BARRIEREFREIHEIT FÜR KOGNITIV BEEINTRÄCHTIGTE

Texte in einfache Sprache umzuwandeln, ist nicht nur für Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen wie Demenz oder Brain Fog essenziell. Auch für Menschen mit temporären Einschränkungen durch Migräne oder Müdigkeit ist die Verwendung einfacher Sprache eine große Erleichterung.

Digitale Barrierefreiheit für kongnitiv Beeinträchtigte

TEXTE IN EINFACHE SPRACHE UMFORULIEREN

  • Darüber hinaus hilft es Nicht-Muttersprachlern und Menschen, die nicht richtig lesen und schreiben können, wenn die Bedienung einer Website eindeutig ist und eine einfache Sprache verwendet wird.

Um bestehende Texte in einfache Sprache umzuformulieren oder neue Texte in einfacher Sprache zu erstellen, lassen sich Chatbots nutzen, die zur Kategorie der generativen KI zählen. ChatGPT, YouChat, OpenAssistent oder Google Bard nutzen große Sprachmodelle, die – mit vielen Daten gefüttert – prognostizieren können, welches Wort als nächstes in einem Text kommt.

KI-Textgeneratoren oder Schreib-Assistenten wie z. B. Jasper oder Neuronflash nutzen ebenfalls große Sprachmodelle, um automatisiert Texte in einfacher Sprache zu verfassen oder Texte entsprechend umzuformulieren. Was Chatbot-Lösungen wie ChatGPT ausmacht – und weshalb auch viele Menschen sie gern testen –, ist, dass Anwender der KI Befehle in normaler Sprache geben können. So wird es für Nutzer dramatisch einfacher, mit einer Maschine zu kommunizieren, ohne irgendwelche Programmierkenntnisse.

Als Input zur Textgenerierung reichen dabei bereits eine Überschrift, ein Einleitungstext oder eine Aufgabenbeschreibung – im Englischen auch „prompt“ genannt.

### In Deutschland sind die Zugänglichkeitsrichtlinien für Web-Inhalte in der Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV) geregelt. International sind die WCAG (Web Content Accessibility Guidelines) als Standard der EU etabliert worden. Mit dem neuen European Accessibility Act werden auch im Privatsektor Unternehmen ab Juli 2022 ihre digitalen Auftritte zunehmend barrierefrei gestallten müssen. Somit nimmt das Thema “digitale Barrierefreiheit” für Unternehmen, die innerhalb der EU ihre Produkte und Dienstleistungen verkaufen, rasant an Wichtigkeit zu. ###
Bitte formuliere diesen Text in eine einfache Sprache um, die auch kognitiv Beeinträchtigte verstehen.

 

ChatGPT-Ergebnistext in einfacher Sprache:

In Deutschland gibt es Regeln, damit Webseiten für alle Menschen zugänglich sind, auch für Menschen mit Behinderungen. Das nennt sich BITV. Auf internationaler Ebene gibt es die WCAG, das sind Standards für barrierefreie Webinhalte. Ab Juli 2022 müssen auch private Unternehmen in der EU sicherstellen, dass ihre digitalen Angebote für Menschen mit Behinderungen zugänglich sind. Das ist wichtig, damit alle Menschen gleichermaßen davon profitieren können.“

Je eindeutiger die Bedienung der Website ist, desto intuitiver die Benutzerführung. Diese Punkte sind zu beachten:

  • Weniger ist mehr! Die Gestaltung wird auf das Wesentliche reduziert. Das kommt der Übersichtlichkeit und auch der Tastaturbedienbarkeit zugute.
  • Der Webseite eine Struktur geben, welche die Aufmerksamkeit des Nutzers führt. Wenige wichtige Informationen hervorheben und ergänzende Inhalte auf entsprechenden Unterseiten platzieren.
  • Konventionen einhalten! Nutzer erwarten Logo und Navigation oben. Impressum, AGB oder auch die Adresse werden im Fußbereich erwartet.
  • Kurze Sätze sind verständlicher. Das bedeutet auch, auf das Gendern zu verzichten. Lange Absätze durch aussagekräftige Zwischenüberschriften unterbrechen.

Darüber hinaus hilft es Menschen mit kognitiven Einschränkungen, wenn in Videos keine zu schnellen Wechsel von Einstellungen oder von Sprechern in der Audiospur erfolgen. Audio und Video inklusive Untertiteln können zudem verlangsamt abgespielt werden. Auf flackernde Animationen sollte verzichtet werden.

SUMMARY: EINFACHE SPRACHE

Bei kognitiven Beeinträchtigungen lassen sich prinzipiell alle Content-Formate zur Vermittlung von Inhalten einsetzen. Allerdings müssen Texte, Bilder und Grafiken leicht verständlich sein. Audio und Video sollten auch verlangsamt abspielbar sein. Design und Navigation sollten dabei auf das Wesentliche reduziert sein.

MULTISENSORISCHE ODER SPEZIALISIERTE PLATTFORMEN

Die durchgehende Minimal-Forderung des BFSG, Inhalte über zwei sensorische Kanäle darzustellen, lässt sich mithilfe von Plattform-Allround-Lösungen für Mobile-Apps, Internet und Intranet wie z. B. Eye-Able oder DIGIaccess leicht umsetzen.

Mit Funktionen wie:

  • Designanpassungen: Kontrastmodi, adaptiver Vergrößerung, Farbenblindheitsfiltern
  • Screenreader: Text-to-Speech
  • Tastaturnavigation

Wer allerdings verdeutlichen möchte, dass er sich speziell für die Belange von Beeinträchtigten engagiert, kann statt einer multisensorischen Plattform auch spezialisierte Plattformen, z. B. für Menschen mit visuellen Beeinträchtigungen, erstellen. Oder z. B. eine Art Audioverse – eine Welt, die sich Besuchern allein durch das Hören und durch gesprochene Sprache erschließt.

FAZIT

Es geht darum, Menschen mit Einschränkungen die digitale Teilhabe zu ermöglichen. Und es geht darum, sie damit zu Ihren potenziellen Kunden, Mitarbeitern, Partnern oder Investoren zu machen. Selbst wenn Sie nicht verpflichtet sind, Ihre Kommunikation barrierefrei zu gestalten, müssen Sie zukünftig in allen Bereichen mit den Unternehmen konkurrieren, die barrierefrei kommunizieren. Die Technologien für mehr Barrierefreiheit sind bereits verfügbar. Warum also nicht schon jetzt anfangen, dieses sinnvolle Projekt umzusetzen?

MEHR INFORMATIONEN ZUM BUCH „BARRIEREFREI KOMMUNIZIEREN FÜR UNTERNEHMEN“

ZUSATZINFORMATIONEN

Die Anforderungen des BFSG bildet nur Teilaspekte der digitalen Barrierefreiheit ab. Es gibt noch weitere Felder zu beachten. Hier noch einige Anregungen:

Eine der größten Herausforderungen in der Kommunikation – die vom BFSG noch gar nicht thematisiert wird – ist die Sprachbarriere.

  • Dabei lassen sich z. B. über DeepL eingegebene Texte und ganze Dokumente einfach automatisiert übersetzen.
  • Google Translate kann darüber hinaus Texte innerhalb eines Bildes oder über die Internet-Adresse auch ganze Webseiten in über 120 Sprachen übersetzen.
  • Untertitel von Videos lassen sich über YouTube automatisch in circa 100 Sprachen übersetzen.
  • Live-Untertitel bei Meetings und Events, durchgeführt mit Teams, Zoom & Co., können zurzeit in ca. 50 Sprachen übersetzt werden.
  • Über Text-to-Speech-Lösungen wie z. B. den ReadSpeaker lassen sich Texte erst in eine ausgewählte Sprache übersetzen und dann vorlesen.

Auf vielen Unternehmens-Websites finden sich nutzwertige Contents wie z. B. Checklisten oder Smart-Books, die – im Rahmen von Content Marketing – als PDF zum Download gegen Daten angeboten werden. Solange hier kein kostenpflichtiges Upgrade angeboten wird, sind Sie vom BFSG her nicht verpflichtet, den Anmeldprozess und die PDFs selbst barrierefrei zu gestalten. Allerdings ist es sehr sinnvoll, diese Dokumente barrierearm zu erstellen. Ähnlich wie der Aufbau Ihrer Website sollten auch diese Dokumente barrierefrei oder zumindest barrierearm gestaltet sein, um eine bessere Lesbarkeit oder Vorlesbarkeit zu gewährleisten. Die Uni Bamberg hat dazu einen umfangreichen Leitfaden erstellt.

Prinzipiell ist es kommunikativ sogar ein Vorteil, wenn Content in mehreren unterschiedlichen Formaten verfügbar wird, etwa durch die Umwandlung von Text in Sprache, Sprache in Text oder das Übersetzen in andere Sprachen. Denn was passiert mit einer Information, die bei der heutigen Informationsflut von einer Zielperson nur einmal erfasst wird? Vermutlich nichts. Studien gehen heute von sechs Kontaktpunkten – Touchpoints – aus, bevor wir ein Thema überhaupt richtig ernst nehmen. Und es benötigt sogar durchschnittlich elf Touchpoints, bevor eine Aktion erfolgt. In der Kommunikation mit Leads, Kunden, Mitarbeitern, Partnern und Investoren können wir die Botschaft nicht einfach sechs- bis elfmal über den gleichen Kanal im gleichen Format wiederholen. Dadurch erreichen wir nur, dass uns die Person über diesen Kanal keine Aufmerksamkeit mehr schenkt oder uns sogar ein Opt-Out schickt.

Zielpersonen reagieren deutlich besser darauf, wenn individuelle Informationen sie mehrmals, über unterschiedliche Touchpoints und in verschiedenen Formaten erreichen. Auch dafür brauchen wir unterschiedliche Content-Formate.

Barrierefrei kommunizieren

EIN BLICK IN DIE FERNE ZUKUNFTl

WENN WIR ÜBER GEHIRNWELLEN KOMMUNIZIEREN

Menschen mit schweren neurologischen Störungen – seien sie temporär oder bleibend, etwa nach einem Schlaganfall, beim Locked-in-Syndrom oder ALS – sind nicht in der Lage, sich zu bewegen oder zu sprechen. Die Fähigkeit zu kommunizieren, ist im höchsten Grad eingeschränkt.

Sie kennen vielleicht die Videos, bei denen durch die Übertragung von Gehirnwellen (Elektromyographie – kurz EMG) Sprach-Computer gesteuert oder sogar Roboterarme bewegt werden. Die besten Ergebnisse für die Steuerung durch Gehirnwellen werden zurzeit noch durch invasive Brain-Computer-Interfaces erzielt. Invasiv bedeutet, dass die Elektroden operativ ins Gehirn implantiert werden. Für Menschen deren Gesundheitszustand sowieso schon höchst bedenklich ist, ist ein Implantat aber nicht indiziert.  

Deshalb wird zurzeit mit nicht-invasiven Biosensoren experimentiert:

  • Zum Beispiel werden Roboterarme oder -beine mit Gedankenkraft gesteuert, indem die elektrischen Signale von Spinalneuronen aufgefangen und entschlüsselt werden.
  • In einer russischen Universität werden die Gehirnwellen von Probanden ausgewertet, um – ohne Kamera – auf einem Computer sichtbar zu machen, was die Testperson gerade sieht. Zugegeben, die so erzeugten Bilder rauschen noch sehr. Aber auch das erste digitale Foto war noch sehr verpixelt, und die Technik hat sich dann rasant verbessert.
  • Das australische Militär experimentiert zurzeit mit der Übertragung von Gedanken-Befehlen an vierbeinige Roboter. Dazu wird ein Sensor an der Rückseite des Kopfs eines Menschen direkt auf der Haut angebracht, um dort die Gehirnströme seines visuellen Kortex zu erfassen. Der menschliche Proband trägt außerdem eine Augmented-Reality-Brille. Über die Brille wird sein Umfeld in sechs Quadrate unterteilt. Konzentriert er sich auf ein bestimmtes Quadrat, werden die Gehirnströme von dem Biosensor erfasst. Ein Decoder wandelt die Signale dann in Befehle für den Roboter um.
  • Der Universität von Texas ist Anfang 2023 – auch dank des großen Sprachmodells, welches z. B. auch OpenAIs ChatGPT zugrunde liegt – ein weiterer Durchbruch gelungen. Es wurde ein personalisierter KI-basierter Decoder entwickelt, der die Gehirnaktivität einer Person in einen kontinuierlichen Textstrom übersetzen kann. Der Decoder arbeitet auf der Bedeutungs-Ebene. Es wird also nicht der präzise Wortlaut eines Gedankens, sondern dessen wesentliche Bedeutung erfasst. Allerdings funktioniert dieser Decoder für Gedankenaktivität zurzeit nur, während sich die Person in einem funktionellen Magnetresonanztomographen – abgekürzt fMRT – befindet.

DAS BUCH IST ERSCHIENEN „BARRIEREFREI KOMMUNIZIEREN FÜR UNTERNEHMEN“